Arrival Week

Vorbemerkungen

Bevor wir mit dieser (hoffentlich) spannenden Reise beginnen, möchte ich zunächst ein paar kurze Bemerkungen machen. Warum schreibe ich diesen Blog überhaupt? Ehrlich gesagt finde ich es gibt mittlerweile viel zu viele Blogs über viel zu belanglose Themen. Seitdem man innerhalb von 10 Minuten einen Blog online bringen kann und Reisen zum Lieblingshobby von Generation Y & Z geworden ist, kann man sich vor Erfahrungsberichten und Dokumentationen von lebensverändernden Phasen in Australien kaum retten.

Das hier soll genau so ein Blog werden. Also außer, dass es nicht um Australien gehen soll. Es wird sicherlich nicht der erste Blog über London sein, sicherlich nicht der erste Blog über eine große und alte Universität und erst recht nicht der erste Blog über Erfahrungen im Ausland. Aber ich werde versuchen vor allem interessante Dinge zu erzählen, die mir persönlich passiert sind (oder die ich witzig finde).

Dem aufmerksamen Leser wird jetzt sicher schon aufgefallen sein, dass der Blog bisher auf deutsch verfasst ist. Das bringt mich direkt zur nächsten Bemerkung, der Zielgruppe. Der Blog richtet sich primär an meine Familie und Freunde in Deutschland. Wenn ich Zeit finde, werde ich mich mit einer Implementierung für mehrsprachige Websiten (und Google Translate) auseinander setzten aber vorerst bleibt es so. Damit können wir nun also starten:

Brexit, Visum und Covid

Nachdem ich bereits ein informelles Arbeitsangebot vom Imperial College erhalten hatte, kam dann Ende Juni mein offizieller Arbeitsvertrag, welchen ich sofort mit viel Freude unterschrieb. Dabei war der Zeitpunkt nach London zu gehen sicherlich nicht der cleverste. Während einer globalen Pandemie und kurz nachdem die Konsequenzen des Brexits umgesetzt sind war die To-Do Liste der zu erledigenden Formalitäten lang. Das wichtigste war dabei zunächst ein Visum (in meinem Fall ein Skilled Worker Visa) zu erhalten. Pünktlich zum Brexit gibt es dafür ein neues, auf Punkten basierendes Einwanderungssystem. Das funktioniert ein wenig wie die Business Lounge von Lufthansa: Hat man genug Punkte darf man rein. Dabei erhält man nach verschiedensten Kriterien Punkte. Angefangen bei Sprachkenntnissen (10 Punkte) bis hin zu einem „Job at appropriate skill level“ (20 Punkte) muss man so die 70 notwendigen Punkte erreichen. Mit Unterstützung des Colleges konnte ich dann die notwendigen Punkte sammeln und habe schließlich Anfang September mein Visum erhalten.

Während sich die Auswirkungen von Covid auf die Visa Bewerbung glücklicherweise in Grenzen hielten, unterlag die Einreise nach UK (gerade im Vergleich zur Einreise in andere Länder) strengen Regelungen. Auch bei vollständiger Impfung ist ein PCR-Test Pflicht, der von einem staatlich anerkannten Anbieter bis zum Tag 2 nach der Einreise durchgeführt werden muss. Zum Vergleich, wenn man aus UK nach Deutschland einreist und doppelt geimpft ist, muss man lediglich ein Onlineformular ausfüllen (was bei Einreise in UK in jedem Fall Pflicht ist). Falls jemand jetzt richtig Lust bekommen hat, mal nach London zu kommen, keine Sorge, mittlerweile ist kein PCR-Test mehr notwendig sondern es reicht ein Schnelltest (£19), den man bequem an eine Adresse schicken lassen kann. Schließlich hatte ich alle notwendigen Unterlagen, inklusive einem sehr kurzfristig gebuchten PCR-Test in London zusammen und es konnte losgehen.

Von Hamburg nach Heathrow

Für den 28.09 hatte ich meinen Flug von Hamburg nach London Heathrow mit British Airways gebucht. Mit einem Koffer. Da ein zweiter Koffer mehr gekostet hätte als mein normales Flugticket hatte ich beschlossen lieber sehr effizient zu packen als der Airline diesen Gefallen zu tun. Einen Tag vor Abflug checkte ich dann als verantwortungsbewusster Passagier die Gepäckbestimmungen und stellte fest, dass mein Koffer maximal 23kg wiegen darf - soweit keine Überraschung. Zusätzlich ist ein Handgepäckskoffer und eine Laptoptasche gestattet, die wiederum jeweils 23kg wiegen dürfen. Wenn ein zweiter Koffer mehr als ein Flugticket mit Koffer kosten soll, beide Handgepäcksstücke aber 23kg wiegen dürfen, dann kann irgendwas nicht stimmen. Aber für mich kam das sehr passend und das effizient packen hatte sich auch erledigt.

Ich bin noch nie mit British Airways geflogen, aber diese Airline hat gute Chancen meine neue Lieblingsairline zu werden und das nicht nur wegen der 5 Paar Schuhe, die ich mitnehmen konnte. Gerade als regelmäßiger Ryan-Air Flieger hat sich dieser Flug trotz Holzklasse wie Business Class angefühlt. Auf dem Flug (der immerhin fast 2 Stunden dauert von Hamburg aus) wurden nämlich Chips und Wasser gereicht und das Ganze - aufgepasst - kostenlos. Dabei wurden keine Kosten und Mühen gescheut und nur die besten Chips gereicht (keine Sorge, das ist kein Affiliate Link). Ich bin auf jeden Fall auf den Marketing Trick reingefallen und habe mir in London direkt zwei Packungen dieser Marke gekauft.

Von Heathrow zum Hostel

Angekommen am Flughafen stand zunächst der PCR-Test an. Dieser konnte direkt am Terminal durchgeführt werden und war überraschend angenehm (für einen Covid Test). Weiterempfehlen kann ich ihn wegen dem Preis-Leistungs-Verhältnis leider nicht.

Nach dem Test wollte ich nun nach London fahren. Ich hatte ich mich schon darauf eingestellt mein Fahrziel (natürlich nach ewigen Warten vor einem Automaten, weil ja zwei von drei Automaten „temporär“ nicht funktionieren) in ein kleines Display hämmern zu müssen, woraufhin mir der Automat sicherlich den ungünstigsten Tarif vorgeschlagen hätte. Aber zum Glück gibt es die DB nur in Deutschland. Für mich fühlt sich die Nutzung des Nahverkehrs in London sehr futuristisch an. Es reicht beim Betreten und Verlassen der Station seine Debitcard, Creditcard (oder Oyster Card) auf das zugehörige gelbe Feld bei den Zugangsschranken aufzulegen und die Schranken öffnen sich. Am Ende des Tages wird dann automatisch der beste Tarif für alle Fahrten abgebucht. Für den Transport von Heathrow in die Innenstadt von London kann ich die U-Bahn sehr empfehlen. Für £3,60 von Heathrow nach Zentral London in unter einer Stunde mit der Piccadilly line (und man sieht auf den ersten Kilometern noch etwas von den äußeren Bezirken).

Für die ersten zwei Wochen in London hatte ich (da ich noch keine Wohnung angemietet hatte) ein Bett in einem 4-Bett Zimmer in einem Hostel in der Nähe von dem British Museum gebucht. Trotz Covid war das Hostel gut ausgebucht und mein Zimmer durchgehend voll belegt. Das Spannende an einem Hostel Aufenthalt sind dabei ja häufig die vielen verschiedenen Personen, die man kennenlernt. Vom Praktikanten bei einem Straßenbauunternehmen in London bis hin zum Software-Engineer bei Goldman Sachs aus New York war alles dabei und man konnte super interessante Gespräche führen und interessante neue Einblicke gewinnen. Auf der anderen Seite ist das Problem mit Hostels meistens, dass zwar 95 Prozent der Mitbewohner ähnliche Hygienevorstellungen haben, die 5 weiteren Prozent aber doch deutlich andere Vorstellungen haben und den Aufenthalt für alle unangenehmer machen. Das war auch hier der Fall, sodass ich versucht habe sehr zügig eine Wohnung zu finden.

Wohnungssuche

Über den Wohnungsmarkt in London kann man im Internet viele verschiedene Erfahrungsberichte finden. Dabei haben fast alle Berichte eine große Gemeinsamkeit - Adjektive, die negativ konnotiert sind: Angefangen bei teuer, klein und alt bis zu heruntergekommen, kalt und schimmlig ist wirklich alles zu finden. Und rückblickend kann ich sagen, dass all diese Adjektive stimmen. Es gibt wirklich unterirdische Wohnungen (im wahrsten Sinne des Wortes), die für viel zu viel Geld von sehr zwielichtigen Vermietern angeboten werden. Es gibt aber auch vernünftige Wohnungen in guten Lagen, die für einen “akzeptablen” Mietpreis zu haben sind. Bis man allerdings eine solche Wohnung findet (und bekommt) muss man sich gedulden. Oder man hat Glück.

Mit der Ankunft in London habe ich direkt angefangen nach WG-Zimmern in den südlichen Teilen der Bezirke Camden und Islington zu suchen, fußläufig zur British Library, wo ich später arbeiten sollte. Dafür habe ich die App SpareRoom verwendet (danke an M. und S. für die Empfehlung), die auch von vielen Locals zur Suche verwendet wird. Um erstmal ein Gefühl für den Markt zu bekommen habe ich kurzerhand circa 20 WG-Zimmer angeschrieben, die kürzlich eingestellt wurden. Über die App hat das wirklich sehr gut funktioniert und für die erste Woche hatte ich bereits fast 10 Besichtigungen. Meine anfängliche Freude legte sich nach der ersten Besichtigung allerdings sehr schnell, denn die erste Wohnung war direkt ein negativ Beispiel für den Londoner Wohnungsmarkt: Ein Studio Apartment, das provisorisch im Keller eines Hauses eingerichtet wurde. Die Heizung war nur 4 Stunden am Tag verfügbar und der geflieste Look des Zimmers mit nur einem Kellerfenster erinnerte eher an das Setting eines Horrorfilms als an die versprochene renovierte großzügige Einzimmerwohnung für günstige £1200. Von da an konnte es immerhin nur noch bergauf gehen. Und die nächsten Besichtigungen waren wirklich besser. Am Freitagabend hatte ich dann eine Besichtigung für ein Zimmer in einer Young Professionals WG direkt bei der U-Bahn Station Holborn. Das Zimmer selbst ist voll möbliert (wie die meisten Zimmer/Wohnungen), verhältnismäßig groß und für die zentrale Lage mit £925 relativ günstig. Am gleichen Abend hatte ich das Glück noch die Zusage für die Wohnung erhalten zu haben, wobei ich direkt am nächsten Tag einziehen konnte. Damit konnte ich das Hostel bereits nach 5 Tagen verlassen, was mir sehr gelegen kam.

Zum Abschluss des ersten Blogposts hier noch eine Reihe von Bildern.

Lage
Lage der Wohnung in London.

Wg-Zimmer
Mein WG-Zimmer - keine Sorge, ich habe schon andere Bettwäsche besorgt.

The-Old-Nick
Das Wichtigste zum Schluss: Pub direkt unter der Wohnung.

Bennet Ströh
Bennet Ströh
Postdoctoral researcher

I am a postdoctoral researcher at the Department of Mathematics at Imperial College London and research associate at the Alan Turing Institute.